Die unsichtbare Gefahr: „Toxische“ Beziehungen und ihre Auswirkungen auf unsere psychische Gesundheit
In der Welt der zwischenmenschlichen Beziehungen gibt es eine dunkle Seite, die oft übersehen wird: destruktive Beziehungsmuster oder toxische Beziehungen. Diese Beziehungen können eher subtil und schwer zu erkennen sein, aber ihre Auswirkungen auf unsere Psyche können verheerend sein. In diesem Blogbeitrag werde ich mich mit diesem wichtigen Thema befassen, ein Fallbeispiel betrachten und wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Psychologieforschung vorstellen.
In meiner Arbeit habe ich vor einiger Zeit Melanie begleitet (Namen verändert), welche seit einigen Jahren mit Robert zusammen war. Anfangs schien ihre Beziehung perfekt zu sein – sie verbrachten viel Zeit miteinander, teilten gemeinsame Interessen und unterstützten sich gegenseitig. Die Beziehung beschrieb sie in den ersten Monaten als „Traumbeziehung“. Doch im Laufe der Zeit begannen sich die Dinge zu ändern. Robert begann zunehmend kontrollierend und eifersüchtig zu werden. Er überwachte ständig Melanies Aktivitäten, isolierte sie von ihren Freunden und machte ihr ständig Vorwürfe. Die Isolation ließ Melanie mehr und mehr zu, sie wollte Robert zeigen, dass er der wichtigste Mensch in ihrem Leben ist. Trotz der Warnzeichen war Melanie zögerlich, die Beziehung zu beenden. Sie vermisste die tollen Zeiten aus den ersten Monaten ihrer Beziehung und den Mann, zu dem sie sich „seelenverwandt“ fühlte. Außerdem wollte sie nicht wieder Single sein und beschrieb eine Angst, alleine zu sein. Sie begann sich mehr und mehr selbst zu hinterfragen und die Schuld bei sich zu suchen. Robert entschuldigte sein Verhalten damit, dass er sie so stark liebe und panische Angst habe, Melanie zu verlieren.
Dieses Fallbeispiel illustriert einige der charakteristischen Merkmale einer toxischen Beziehung: Kontrolle, Eifersucht, Isolation und emotionale Abhängigkeit. Zum Thema emotionale Abhängigkeit werde ich in einem gesonderten Beitrag noch einmal näher eingehen.
Aber was sagt die Psychologieforschung über toxische Beziehungen?
Eine Studie von Dixon, Graham-Kevan und Hawkes (2009) ergab, dass toxische Beziehungen oft von einem Ungleichgewicht in der Macht und Kontrolle geprägt sind. Der dominante Partner übt Kontrolle über den anderen aus, sei es durch Manipulation, Einschüchterung oder emotionale Erpressung. Dies kann zu einem Gefühl der Hilflosigkeit und Unfreiheit führen, das die Opfer daran hindert, sich aus der Beziehung zu lösen. Weitere Details und die vollständige Studie findest Du hier: UCLan – University of Central Lancashire.
Darüber hinaus haben Studien gezeigt, dass toxische Beziehungen schwerwiegende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben können. Opfer von emotionaler Misshandlung und Kontrolle leiden oft unter Angstzuständen, Depressionen, geringem Selbstwertgefühl und posttraumatischem Stress. Ihre mentale Gesundheit wird allmählich untergraben, während sie in einem Teufelskreis aus Manipulation und Selbstzweifel gefangen sind.
Es ist wichtig zu betonen, dass ungesunde Beziehungsmuster nicht immer offensichtlich sind. Oft entwickeln sie sich schleichend, und die Opfer können sich zunächst in einer Spirale aus Verleugnung und Rationalisierung befinden. Daher ist es entscheidend, auf Warnsignale zu achten, wie etwa übermäßige Eifersucht, Kontrollverhalten, Isolation von Freunden und Familie oder wiederholte Verletzungen des Vertrauens.
Wenn Du feststellst, dass Du Dich in einer toxischen Beziehung befindest, ist es wichtig, Hilfe zu suchen und Unterstützung von vertrauenswürdigen Freunden, Familienmitgliedern oder Fachleuten zu erhalten. Selbsthilfegruppen, Therapie und auch Coaching können helfen, die Situation zu verstehen, Grenzen zu setzen und einen Weg zu finden, sich aus der toxischen Dynamik zu lösen.
Insgesamt ist es von entscheidender Bedeutung, sich der Realität toxischer Beziehungen bewusst zu sein und die notwendigen Schritte zu unternehmen, um sich selbst zu schützen und die eigene psychische Gesundheit zu wahren. Indem wir aufklären, Warnzeichen erkennen und Unterstützung suchen, können wir dazu beitragen, uns aus dem Teufelskreis eines solchen Beziehungsmusters zu befreien und ein Leben in Gesundheit und Wohlbefinden zu führen.
**Quellennachweise**:
- Dixon, L., Graham-Kevan, N., & Hawkes, C. (2009). „Understanding the Role of Power and Control in Partner Violence.“ Journal of Interpersonal Violence, 24(1), 65-84.
- Marshall, L. L. (1999). „Effects of Men’s Subtle and Overt Psychological Abuse on Low-Income Women.“ Violence and Victims, 14(1), 69-88. Link zur Studie
- Pico-Alfonso, M. A., Garcia-Linares, M. I., Celda-Navarro, N., Blasco-Ros, C., Echeburúa, E., & Martinez, M. (2006). „The Impact of Physical, Psychological, and Sexual Intimate Male Partner Violence on Women’s Mental Health: Depressive Symptoms, Posttraumatic Stress Disorder, State Anxiety, and Suicide.“ Journal of Women’s Health, 15(5), 599-611.
- Brem, M. J., Florimbio, A. R., Grigorian, H., Wolford-Clevenger, C., Elmquist, J., Shorey, R. C., & Stuart, G. L. (2019). „The Relationship Between Partner Substance Use, Partner Violence, and Women’s Mental Health.“ Journal of Interpersonal Violence, 34(18), 3831-3852.
- DePrince, A. P., & Freyd, J. J. (2002). „The Harm of Trauma: Pathological Fear, Shattered Assumptions, or Betrayal?“ In M. P. Safir, H. I. Safir, & S. J. Muran (Eds.), The Paradox of Trauma. American Psychological Association. Link zur Quelle
- Walker, L. E. (1979). „The Battered Woman.“ Harper & Row.